Unser Gehirn ist eine großartige Sache. Säuglinge z.B. sehen nur verschwommen und sind dennoch schon in der Lage, Gesichter als Gesichter zu erkennen und alles, was irgendwie nach Gesicht aussieht, interessanter zu finden als alles andere. (Brillenträger, denen schon einmal die Sehhilfe von der Nase gegrabbelt wurde, werden das besonders bestätigen können…)
Bei uns Erwachsenen schließlich dauerte es kaum eine halbe Sekunde, bis wir ein bekanntes Gesicht identifizieren können. Es scheint so, als würden wir eben Gesichter unmittelbar als Ganzes wahrnehmen und auch abspeichern – ein Phänomen, dass die Forschung seit Jahrzehnten beschäftigt und – natürlich – auch immer wieder zu erregten Fachdebatten führt.
So viel, bzw. so wenig zur Theorie. Wirklich unterhaltsam ist der Seitenaspekt, dass wir auch dort Gesichter wahrnehmen, wo gar keine sind. Glauben Sie nicht? Aber bestimmt erinnern Sie sich an den Kinderreim „Punkt, Punkt, Komma, Strich: fertig ist das Mondgesicht.“ Und bestimmt kennen Sie auch dessen moderne Version, das Emoticon.
Seh’n Sie?
Eben diese Fähigkeit, die unwillkürlich wiedererkennende Wahrnehmung von Gesichtern, sorgt dafür, dass wir in einem Dali-Bild von drei Herren gleichzeitig die Büste Voltaires entdecken und dass wir problemlos akzeptieren, wenn die Zeichner von Disneys „Alice im Wunderland“ unter anderem Stiefmütterchen und Türknäufe überzeugend plaudern lassen.
Im Grunde genommen ist das also keine Kunst, das ist eine bestimmte Art zu gucken.
Und die kann so viel Spaß machen, dass man kaum mehr damit aufhören kann, wenn man erstmal damit angefangen hat…
Der Garderobenhaken lächelt plötzlich ganz verschmitzt, dem Kleiderschrank ist anscheinend ein bisschen übel und in der Wandvertäfelung lauert eine großer, schlechtgelaunter Hund. (Zugegeben, da muss man schon sehr genau hingucken.) Auch in der Küche tobt das Leben. Der Wasserkocher ist ein Angry Bird, in der Spüle sitzt eine Eule, und diese Steckdose – sieht sie nun aus wie ein Schwein in der Wand oder wie ein melancholisches Kleinkind?
Sehn’n Sie?
Und schon ist der Weg vom Gesicht zur Geschichte nicht mehr weit:
Da reichen ein paar Schuhe oder ein Korkenzieher.
Schauen Sie hin, probieren Sie’s aus.
Ist unser Gehirn nicht eine großartige Sache?