Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Graphic Facilitation und Graphic Recording. Wir haben diese Frage schon vor einiger Zeit Brandy Agerbeck von loosetooth.com gestellt. Hier nun, die persönliche Video-Antwort auf diese Frage.

Hinweis: Eine zusammengefasste Übersetzung des Videos finden Sie direkt im Anhang. 🙂

Brandy Agerbeck startete Ihre Karriere in 1996 bei Ernest & Young, die zu dieser Zeit Nachwuchskräfte zur Unterstützung bei der Durchführung vom Change Management Workshops suchten. Diese Workshops basierten auf einem Prozess der von MG Taylor stammte.

„Ihr seit alle Facilitator“ hieß es bereits am ersten Arbeitstag, „Ganz gleich, welche Rolle Ihr in dem Prozess habt: Ihr seid da, um den Teilnehmern die Arbeit zu erleichtern. Ihr helft Ihnen dabei, ihre Arbeit einfacher un effektiver zu tun.“ Es gab zahlreiche Aufgaben, die von den „Facilitators“ zu erledigen waren. Wobei es Brandys Aufgabe war, die Dialoge der Gruppe auf gigantischen Whiteboards festzuhalten. Dies sollte für die nächsten drei Jahre so bleiben und sie lernte eine Menge über Facilitation und Prozesse mit Hilfe des angewendeten MG-Taylor Prozesses. Aber auch über die unterschiedlichen Kunden und Branchen konnte Sie so eine Menge erfahren.

Im Jahr 2000 nahm Brandy dann an Ihrer ersten IFVP-Konferenz teil. IFVP steht für „International Forum of Visual Practitioners“ und ist die Konferenz für Menschen, die genau dasselbe tun, wie Brandy. Diese erste Konferenz war für Brandy in mehrfacher Hinsicht überraschend. Das erste, was sie erfuhr war, dass viele Ihrer Kollege sich „Graphic Recorder“ nannten. Auch konnte sie feststellen, dass viele der Teilnehmer dieser Konferenz von „The Grove“ kamen – dieser großen Firma aus San Francisco, die von David Sibbet geführt wird.

Darüber hinaus gab es Teilnehmer, deren Rolle aus Brandys Sicht eher passiv war. Sie versuchten im Prozess quasi unsichtbar zu werden – so wie ein Ninja. Andere wiederrum waren der Ansicht, das Meeting würde durch sie hindurch kanalisiert und dann auf ein Stück Papier gebracht. Ohne die Arbeitsweisen der anderen kritisieren zu wollen, verstand Brandy Ihre eigene Rolle im Prozess als eine deutlich aktivere. Auch wenn Sie der „stumme“ Partner des klassischen Facilitators in einem Meeting ist, so versteht sie ihre Aufgabe dennoch als facilitativ (erleichternd) und definitiv als eine aktive Rolle.

Seit dieser ersten Konferenz vor über 13 Jahren gibt es nun die andauernde Diskussion über die Frage: „Was ist Graphic Facilitation und was ist Graphic Recording? Wo unterscheiden sich die beiden und wo gibt es Berührungspunkte? „. Brandy ist sich sicher, dass es sehr wohl wichtig ist innerhalb der Szene Klarheit über Begriffe zu erlangen – auch aus der Sicht des Kunden. Schließlich wollen die genau das finden, wonach sie suchen. Allerdings ist Brandy auch skeptisch, dass es in dieser Frage je zu einem Konsens kommen wird. Aus Ihrer eigenen Sicht, die aus dem gelernten MG Taylor Prozess gespeist wird, ist sie Graphic Facililator. Die „andere Schule“ – nämlich die von „The Grove“ versteht unter einem Graphic Facilitator die Person, die sowohl die Rolle des klassischen Facilitators wahrnimmt, als auch für die „Prozessvisualisierung“ verantwortlich ist. Aus deren Sicht ist Brandys Rolle die eines „Graphic Recorders“.

Zusammenarbeit (mit dem Kunden) als Unterscheidungskriterium

Anstatt sich mit den offensichtlichen Definitions-Unterschieden innerhalb der Szene selbst zu beschäftigen möchte Brandy lieber eine andere Sichtweise auf die Unterschiede zwischen den beiden Begriffen ermöglichen. Da ist zum einen das Thema Zusammenarbeit bzw. Partnerschaft mit dem Kunden. Wie stark ist die Ausprägung der Zusammenarbeit? Brandy nutzt hierbei das Bild einer Skala – wo auf der einen Seite der Begriff „Graphic Facilitation“ und auf der anderen Seite „Graphic Recording“ steht. Aus Ihrer Sicht gibt es ganz viele Abstufungen zwischen den beiden in Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Kunden. Wir stellen uns Brandys Skala wie folgt vor:

collaboration

Während Graphic Facilitator eher in den Prozess involviert werden möchten, über die Agenda und die visuellen Werkzeuge sprechen möchten und sich aktiv in den Prozess einbringen wollen sind die Graphic Recorder aus Brandys Sicht damit zufrieden, wenn einfach den Auftrag erhalten, mit Ihren Markern und einer Rolle Papier zum Termin vor Ort zu erscheinen. Brandy selbst fühlt sich in jedem Bereich dieses Spektrums wohl. Sie sieht es in der Verantwortung des Auftraggebers, die Anforderungen an den Job zu definieren. Obwohl Sie es liebt im Bereich der intensiven Zusammenarbeit tätig zu sein, hat sie gar nichts dagegen, wenn Sie ein Kunde kontaktiert, um Sie mit Ihrer Papierrolle und den Markern quasi ins Meeting springen zu lassen. Logischerweise gibt es sowohl Spezialisten für die eine als auch die andere Ausprägung. Und es gibt diejenigen, die in der Lage sind, das komplette Spektrum abzudecken.

Art der Darstellung als Unterscheidungskriterium

Als weitere Möglichkeit der Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen führt Brandy Agerbeck die Art der Darstellung an. Wieder greift Sie das Bild einer Skala auf – auf der einen Seite die Facilitator, gegenüber die Recorder. In der anderen Dimension ist es aber nun das Thema „Detailtreue“ oder „wörtliches Protokoll“, das den Unterschied zwischen den beiden aus ihrer Sicht ausmacht. Sie sieht das reine „Recording“ eher als eine Art journalistische Tätigkeit mit vielen Details während die facilitative Umsetzung bemüht ist Muster in den Beiträgen aufzuspüren und Verbindungen darzustellen. Brandy versteht die Arbeit des Graphic Facilitators darin, den Inhalt zu organisieren und daraus eine Synthese zu bilden. Und natürlich sieht sie Ihre Stärke in genau dieser Rolle. Wer mehr darüber erfahren möchte sollte Ihr Buch „Der Wegweiser für den Graphic Facilitator“ lesen. Sie finden es in deutscher Sprache exclusiv im Neuland-Shop.

Gemeinsamkeiten

Neben all den Unterscheidungen sieht Brandy Agerbeck aber vor allem ganz elementare Gemeinsamkeiten. Ganz gleich ob Recorder oder Facilitator – beide tun Ihre Arbeit um einer Gruppe dabei zu helfen, ihre Arbeit besser erledigen zu können. Beide bringen live, während des Meetings das große Bild der Dialoge zu Papier und helfen der Gruppe dabei, die Zusammenhänge und das große Ganze zu erkennen.