Als Moderator*in willst du nicht nur, dass deine Teilnehmer*innen engagiert und kreativ mitarbeiten. Am Ende soll das Team konkrete Entscheidungen treffen, die später auch umgesetzt werden. Unser Gastautor Michael Neubert hat in seinen Trainings und Einzelcoachings mehr als 1000 Moderator*innen geholfen, Teams erfolgreich durch diese kritische Phase des Workshops zu führen. In seinem Artikel lernst du, wie du Abstimmungen, Auswahlprozesse oder Entscheidungen im Team treffsicher moderieren kannst.

Ein Team-Event steht an und alle sollen gemeinsam entscheiden!

Ein Team-Event steht an und alle sollen gemeinsam entscheiden!

Woran viele Workshops scheitern

In vielen Workshops wird fleißig gearbeitet. Wenn es dann später an die Umsetzung geht, herrscht jedoch Stillstand.

Warum?

Weil sich die Gruppe oft nicht auf konkrete Maßnahmen einigen kann. Entscheidungen werden vertagt, verwässert oder gar nicht getroffen – und am Ende bleibt alles beim Alten. Ohne klare Entscheidungen verlaufen dann auch die besten Ideen im Sand.

12 Methoden um Teams zu Entscheidungen zu moderieren

Um im Team zu entscheiden, gibt es eine ganze Reihe von Methoden. Zu den Entscheidungsmethoden, die sich für Workshops eignen, gehören:

  • Dot Voting („Mehrpunktabfrage“) – Demokratisch, aber „blind“
  • Kontentmethode – Informierte Entscheidung treffen
  • Konsensmethode – Diskutieren, bis die einstimmige Entscheidung steht
  • Konsentmethode – Schwerwiegender Einwand vs. „Sicher genug, um es zu probieren?“
  • Fist to Five – Von „Veto“ bis „perfekte Lösung“
  • Abstimmung per Handzeichen – Einfach und schnell
  • Paarweiser Vergleich – Relative Rangordnung ohne Skala
  • Verschiebung in der Eisenhower-Matrix – Schnell den Diskussionsbedarf erkennen
  • Noten vergeben – Macht Clustern unnötig 
  • „Jede*r nimmt 2 Favoriten mit“ – Pragmatisch und engagierend
  • Entscheidungsmatrix mit Kriterien und Gewichtung – Die Entscheidung „aufdröseln“
  • 1-2-4-all – Ein Klassiker der Liberating Structures

Jede dieser Methoden hat ihre Stärken und Schwächen. Es liegt an dir als Moderator*in, diejenige auszuwählen, die am besten zu deiner Gruppe und dem Entscheidungsbedarf passt.

Oft werden die Methoden verantwortlich gemacht, wenn Entscheidungen scheitern. Dann heißt es schnell: „Punkte kleben ist out. Das bringt doch gar nichts!“

Die eigentliche Ursache sind jedoch meistens ein nicht durchdachter Gesamtprozess oder mangelnde Voraussetzungen. Daher ist zunächst ein Blick auf die Ursachen schlechter Entscheidungen unerlässlich, um treffsicher die richtige Methode auszuwählen und richtig anzuwenden.

Es liegt nicht am Punktekleben: Die 7 Fallen

Choice overload

Die Gruppe kann überfordert sein, wenn sie mit zu vielen Optionen konfrontiert wird. Zum Beispiel, wenn sie nach einem Brainstorming zum Thema Innovationen für Elektromobilität aus 127 Ideen die besten 6 bestimmen soll.

Menschen neigen in solchen Situationen zu Auswegen, statt eine fundierte Entscheidung zu treffen. Das kann zu bizarren Ergebnissen führen. Zum Beispiel, dass an der Pinnwand die Option in Augenhöhe die meisten Punkte bekommt, weil sie bequem zu lesen ist. „Schlecht positionierte“ Optionen werden dann schlicht ignoriert.

Dein Problem als Moderator*in: Die wenigsten Teilnehmer*innen tun das bewusst und wenn doch, werden sie es kaum offen ansprechen. Von „außen“ sieht alles nach einer klaren und bewussten Entscheidung aus.

Stimmenaufteilung

Das auch als Vote Splitting bezeichnete Phänomen tritt dann auf, wenn sich sehr ähnliche Alternativen Punkte teilen. In einem Workshop zur Gestaltung des nächsten Team-Ausflugs könnten das zum Beispiel die Vorschläge „Fahrradausflug“ und „Mountainbike-Tour“ sein. Gegenüber einer alleinstehenden Option – wie „Museumsbesuch“ – sind sie damit im Nachteil.

Taktisches Wählen

Bei Abstimmungen kann es vorkommen, dass Teilnehmer*innen nicht für die aus ihrer Sicht beste Option stimmen. Manche richten sich nach einer Person (Vorgesetzte, Freund, Expertin, …), manche gegen eine andere.

Ein bekanntes Beispiel ist der HIPPO-Effekt (Highest Paid Person’s Opinion), bei dem sich die Meinung der ranghöchsten Person durchsetzt, obwohl sie nicht unbedingt die beste Lösung ist.

Es kommt auch häufig vor, dass Teilnehmende – bewusst oder unbewusst – abwarten, bis alle anderen ihre Stimme abgegeben haben. Dann schreiten sie als letzte zur „Wahl“, um ihre zur Verfügung stehenden Punkte „optimal“ einzusetzen.

Gesetz der Trivialität

Es ist bequemer über unwichtige – aber einfache – Details zu debattieren, als wichtige – aber komplexe – Probleme zu erörtern. Große Entscheidungen werden dann schnell vernachlässigt oder vertagt. 

Ein klassisches Beispiel ist die stundenlange Diskussion über die Farbe eines Logos, während die strategische Entscheidung über die Zielgruppe nicht behandelt wird.

Ewige Diskussionen

Manche Gruppen haben die Tendenz, immer weiter zu diskutieren, ohne je zu einem Ende zu kommen. Dadurch bleibt zum Schluss weniger Zeit für eine fundierte Entscheidung.

Auch nach einer vermeintlich getroffenen Entscheidung entbrennen oft Diskussionen über die Interpretation des Ergebnisses: Sind 5 Punkte von einer Person so viel wert, wie jeweils ein Punkt von 5 Personen? Können wir die Stimmen der Option X nicht auch mit denen von Option Y zusammenzählen? Was machen wir bei Gleichstand?

Vielredner und Wenigredner

In vielen Gruppen gibt es Teilnehmer, die dominieren, während andere kaum zu Wort kommen. Das Ungleichgewicht in der Redezeit kann dazu führen, dass wichtige Perspektiven nicht gehört und Entscheidungen einseitig getroffen werden.

Schlechte Umsetzung

Selbst wenn eine Entscheidung gut getroffen wurde, ist sie wertlos, wenn sie nicht umgesetzt wird. Dies geschieht häufig aus diesen beiden Gründen:

  • Zum einen fehlt es an Buy-In – also der inneren Zustimmung und Bereitschaft der Gruppe, die Entscheidung tatsächlich mitzutragen.
  • Zum anderen können auch fehlende Ressourcen dazu führen, dass die Umsetzung scheitert.

Eine Entscheidung kann noch so gut sein – wenn sie nicht umgesetzt wird, war der Entscheidungsprozess letztlich vergebens. 

4 Tipps für erfolgreiche Entscheidungen im Workshop

Wie kannst du nun sicherstellen, dass dein Workshop zu brauchbaren Entscheidungen führt? Es gibt einige grundlegende Voraussetzungen.

Die Basis: Gründliche Vorarbeit

Die Weichen für eine gute Entscheidung im Workshop stellst du in den vorangehenden Phasen: Zum Beispiel beim Sammeln der Ideen, Fragen oder Probleme, über die ihr entscheidet. Durch deine geschickte Moderation und die Auswahl der richtigen Workshopmethode stellst du sicher, dass alle:

  • über das Gleiche sprechen,
  • die gleiche Möglichkeit zur Beteiligung haben,
  • auf das Wesentliche fokussiert bleiben und
  • ihre Beiträge verständlich gemacht und visualisiert haben.

Nun ist es wichtig, die Optionen so zu strukturieren, dass sie in einer vergleichbaren Dimension, auf einer vergleichbaren „Flughöhe“ sind.

Eine lose Sammlung von Ideen – wie im Beispiel für das Team-Event – lässt sich oft sinnvoll in eine hierarchische Struktur bringen. Gegebenenfalls müssen mit dem Team zusätzliche Begriffe gefunden werden (hier: grün), um die Hierarchie komplett abzubilden.

Für gesammelte Probleme – zum Beispiel mit dem Home-Office – ist oft die Kausalität der Schlüssel zur Strukturierung.

Die Spalten des „Problem-Analyse-Schemas“ können eine nützliche Hilfe sein, um kausale Zusammenhänge darzustellen. Für leere Felder müssen auch hier zusätzliche Begriffe gefunden werden (grün).

Wenn du nun noch die Entscheidungsoptionen auf ein überschaubares Maß reduzierst, hast du eine gute Basis für eine gesunde Entscheidung.

3 Fragen, die du vorher beantworten musst

Drei Dinge müssen vor einer guten Entscheidung transparent sein:

  • Wozu?
  • Wer?
  • Was?

Es klingt trivial, wird nach meiner Meinung jedoch am häufigsten vergessen: Bevor irgendetwas entschieden wird, sollte allen klar sein, warum diese Entscheidung jetzt gefällt werden muss. Bestimmen wir lediglich die Vorschläge, mit denen wir hier und heute die verbliebene Workshopzeit nutzen wollen? Oder geht es schon darum, welche Vorschläge verbindlich umgesetzt werden?

Ebenso wichtig ist, dass die Gruppe versteht, wer die Entscheidung trifft. Diskutiere diesen Punkt auch vorher mit der Auftraggeberin! Unter Umständen sollen gar nicht die Regeln für das Arbeiten im Home Office beschlossen werden, weil darüber die Firmenleitung entscheidet. Die Gruppe soll lediglich sinnvolle Vorschläge einreichen.

Stelle sicher, dass du eine klare Frage formulierst, die keinen Zweifel zulässt, was entschieden werden soll. Dazu gehört auch die Eingrenzung auf eine der „Flughöhen“ oder Dimensionen, die ihr im vorherigen Schritt bestimmt habt. Die Fragen:

  • „Welcher der Vorschläge für Home-Office-Regeln würde dir persönlich am meisten helfen?“ 

und

  • „Was sind die wichtigsten Regeln für unsere Gruppe?“

werden verschiedene Antworten in den Köpfen der Teilnehmenden hervorrufen.

Mache dir auch vorher Gedanken darüber, wie das Ergebnis formal aussehen soll und wie ihr in unklaren Situationen vorgeht.

Mögliche Formen eines Ergebnisses

  • 1 „Sieger“

  • Priorisierung – Reihenfolge der Wichtigkeit aller Optionen

  • Bestimmte Anzahl von „besten“ oder „schlechtesten“Optionen

  • Alle akzeptablen Optionen

Mögliche Ergebnisse mit Regelbedarf

  • Gleichstand zwischen 2 oder mehreren Optionen
  • Sich gegenseitig ausschließende Optionen (bei Mehrfachwahl)
  • Option gewinnt mit relativer Mehrheit und widerspricht dem Wunsch der absoluten Mehrheit

Klar geregelter Ablauf

Damit eine Entscheidung fair und unbeeinflusst ist, sollte der Prozess möglichst ruhig und ohne Unterbrechung stattfinden. Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, dass die Regeln vorher allen klar sind. Diese sind natürlich von der gewählten Methode abhängig. Erkläre die Regeln unbedingt auch dann, wenn du denkst, dass sie allen selbstverständlich sind. Ich habe zum Beispiel öfters die unschöne Situation erlebt, dass ein Teilnehmer zunächst davon ausging, Klebepunkte nicht auf „seine eigene“ Option kleben zu dürfen und sie dann nachträglich „zurücknehmen“ und neu kleben wollte.

Auswahl der richtigen Methode

Die Wahl der passenden Methode ist entscheidend für den Erfolg des Entscheidungsprozesses. Dabei kann es je nach Situation sinnvoll sein, die Entscheidung in zwei oder mehrere Schritte zu „zerlegen“, zum Beispiel um:

  • schrittweise die verschiedenen Dimensionen oder Hierarchien einzeln zu entscheiden oder
  • zunächst mit einer Methode die Anzahl der Optionen zu reduzieren, bevor mit einer anderen Methode final entschieden wird.

Die eingangs genannten Methoden sind je nach Situation unterschiedlich gut geeignet. Aber wie wählst du die richtige aus?

3 Beispiele für die Methoden-Auswahl

Lass uns in Praxissituationen anschauen, wie du die Methode je nach Situation und Anforderungen auswählst:

Schnelle Entscheidung bei knapper Zeit

Stell dir vor, du moderierst einen Workshop, in dem das Motto für die nächste Firmenveranstaltung entschieden werden soll. Die Gruppe besteht aus 7 Personen und hat im Brainstorming 12 Ideen formuliert. Es bleiben nur noch 15 Minuten, bevor der Workshop endet.

Hier eignet sich Dot Voting – auch als Mehrpunktabfrage bekannt – ideal. Jede*r Teilnehmer*in erhält die gleiche Anzahl von Punkten, die sie auf ihre bevorzugten Optionen verteilt. So kann die Gruppe schnell ein Stimmungsbild abgeben und die Entscheidung treffen, ohne lange zu diskutieren. Dot Voting hilft, in kurzer Zeit Prioritäten zu setzen, ohne den Entscheidungsprozess zu überfrachten.

Konsensfindung bei komplexen Themen

Ein komplexeres Szenario: Die Geschäftsführung deines Unternehmens möchte eine neue Strategie entwickeln, wie die Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren vorangetrieben wird. Es gibt viele verschiedene Ansichten und Interessen, und das Thema ist komplex.

Hier eignet sich die Konsensmethode besonders gut. Die Gruppe diskutiert und arbeitet so lange an der Strategie, bis jede*r Teilnehmer*in die Entscheidung mittragen kann. Dabei geht es nicht einfach nur um Mehrheiten. Vielmehr ist das Ziel, eine Entscheidung zu finden, die alle Beteiligten unterstützen. Die Methode ist zwar zeitaufwendig, führt aber zu tragfähigen Ergebnissen, die von allen akzeptiert und letztendlich umgesetzt werden.

Entscheidung bei verschiedenen Perspektiven

In einem anderen Szenario befindet sich dein Team vor einer Entscheidung, bei der die Teilnehmer*innen unterschiedliche Anteile, Perspektiven und Erfahrungen haben – etwa, wenn im OKR Planning Workshop die Frage beantwortet werden soll, welche qualitativen Ziele auf dem Weg zum MOAL im nächsten Quartal erreicht werden sollen.

Hier eignet sich die Methode 1-2-4-all. Zuerst denken die Teilnehmer*innen alleine über die Frage nach (1), dann einigen sie sich in Zweiergruppen (2) auf die beste Entscheidung, anschließend in Vierergruppen (4) und schließlich im Plenum (all). Auf diese Weise werden Informationen, Sichtweisen oder Erfahrungen, die vorher nicht allen bekannt waren, schrittweise zusammengeführt. Die Teilnehmenden bauen auf den Ideen und Fragen der anderen auf. Dies fördert eine informierte und gut durchdachte Entscheidung, auch wenn zu Beginn niemandem das Gesamtbild klar war.

Fazit: So moderierst du verbindliche Entscheidungen

Eine erfolgreiche Entscheidungsfindung in der Gruppe hängt nicht nur von der Methode ab, sondern auch von einer guten Vorbereitung, klaren Fragen und einem strukturierten Ablauf. Jede Entscheidungsmethode hat ihre Vor- und Nachteile, und es ist deine Aufgabe als Moderator*in, die richtige Methode auszuwählen und den Entscheidungsprozess zu steuern. Mit einer guten Balance aus Struktur und Flexibilität wirst du sicherstellen, dass deine Gruppe am Ende des Workshops schnell klare und umsetzbare Entscheidungen trifft.

Wenn du genauer wissen möchtest, wie die verschiedenen Methoden zur Entscheidungsfindung funktionieren und welche Vor- und Nachteile sie haben, findest du hier weitere Informationen