Dörte Maack ist Schauspielerin auf außergewöhnlicher Bühne: sie arbeitet seit 2006 als Trainerin im Rahmen der Ausstellung Dialog im Dunkeln® in Hamburg – Seminare im lichtlosen Raum! Warum dieses Konzept so besonders ist, erzählt sie uns in diesem Interview.

Frau Maack selbst erblindete vor etwa 10 Jahren und kann heute nur noch hell und dunkel wahrnehmen. Ihre Erfahrungen aus dem Leben mit und dem Leben ohne Augenlicht verdichtet sie zu außergewöhnlichen Trainingskonzepten für Führungskräfte und Teams. Die ausgebildete Schauspielerin war viele Jahre als Theaterpädagogin tätig, hat Pädagogik, Sportwissenschaft und Linguistik studiert und erhielt direkt nach dem Studium einen Lehrauftrag an der Universität Hamburg. Die Fragen stellte PR-Beraterin Sabine Prell.

Sabine Prell:
Frau Maack, als ich bei Ihnen im Seminar war, forderten Sie mich auf, meine Brille abzunehmen. Ich fühlte mich dadurch stark verunsichert. Erst durch den Blindenstock gewann ich etwas Sicherheit zurück. Verleiht dieses physische Hilfsmittel psychische Stärke?

Dörthe Maack: Nun, es ist ein Hilfsmittel, welches dazu beiträgt, dass blinde Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Natürlich braucht es aber mehr als einen weißen Stock, damit dies gelingen kann. Gelingt es aber, dann kann daraus auch psychische Stärke erwachsen.

Sabine Prell: Als ausgebildete Schauspielerin fällt es Ihnen sicherlich leicht, in neue Rollen zu schlüpfen. Wie lange haben Sie gebraucht, sich auf die Situation als Blinde einzulassen – die ja nicht nach einer „Spielsaison“ wieder vorbei ist?

Dörthe Maack: Eine Rolle auf der Bühne und eine Rolle im Leben sind 2 sehr verschiedene Dinge. Gegen das Blindwerden habe ich mich über mehrere Jahre mal wütend mal verzweifelt gewehrt und wie Sie wissen ganz ohne Erfolg. Aber um bei dem Bild der Rolle zu bleiben: gewehrt habe ich mich vor allem auch gegen das stereotype Rollenbild einer blinden Frau in unserer Gesellschaft und das mit Erfolg. Bei diesem Durchbrechen von Rollenstereotypen hilft mir mein Schauspielhintergrund ungemein.

Sabine Prell:
Als ich Ihre Vita las, war ich sehr beeindruckt davon, wie Sie die Blindheit in einer „sehenden Welt“ als persönlichen Vorteil begreifen und diesen im Beruf einsetzen. Was gab Ihnen die Gewissheit, mit diesem Handicap in die Coaching-Welt einzusteigen?

Dörthe Maack:
Auch als ich noch sehen konnte, habe ich gern mit Übungen unter der Augenbinde gearbeitet. Als ich den Dialog im Dunkeln kennen lernte, sah ich darin zunächst eine enorme Verstärkung sämtlicher Erfahrungen unter der Augenbinde und viele Möglichkeiten, die weit darüber hinaus wiesen. Sicher war es auch ein Vorteil aus der Welt der Sehenden zu kommen und zu wissen, welche Bedürfnisse es hier gibt. „Der Dialog im Dunkeln“ und sein Erfinder Dr. Andreas Heinecke gaben mir schließlich die Möglichkeit, auch als nun blinde Trainerin meine Talente, Erfahrungen und Fähigkeiten nicht nur einzusetzen sondern fortwährend weiterzuentwickeln. Vor 2 Jahren waren wir zum Beispiel mit unseren Trainingsformaten zum ersten mal zum Weltwirtschaftsforum nach Davos eingeladen. Dass hätte ich als sehende Trainerin vermutlich nicht erreicht…
Im Alltag finde ich meine Blindheit einfach unpraktisch und in seltenen Momenten vermisse ich auch das Sehen z.B. wenn meine Kinder meinem Mann stolz ihre gemalten Bilder zeigen. Aber für meine berufliche Laufbahn war meine Erblindung bisher kein Handicap.

Sabine Prell: Das Sehen für eine kurze Zeit zu „verlieren“ und sich dabei ganz auf andere Sinne und Menschen zu verlassen ist eine Grenzerfahrung für den Sehenden. Wie verändert dieses Erlebnis konkret die berufliche Kommunikation und das Miteinander im Team?

Dörthe Maack: Im Dunkeln rücken Menschen näher zusammen, sie unterstützen und vertrauen einander. Dies allein lässt bereits ein wirkliches Teamgefühl erlebbar werden und kann viel Eis zum Schmelzen bringen. Darüber hinaus wirkt die Dunkelheit wie ein Verstärker der typischen Kommunikations- und Interaktionsmuster eines Teams. Diese Muster dann widerzuspiegeln, zu reflektieren und sie im Sinne der Teamentwicklung zu nutzen, ist der Schwerpunkt in den Arbeitsphasen im hellen Seminarraum, die sich an das Training in der absoluten Dunkelheit anschließen.

Sabine Prell: Darf ich Ihnen eine sehr persönliche Frage stellen? Sie sind nicht von Geburt an blind, sondern haben Ihre Sehkraft im Erwachsenenalter fast vollständig verloren. Wie viel Dunkelheit kann man eigentlich ertragen? Und wie sind die Reaktionen Ihrer Teilnehmer?

Dörthe Maack: Ich sehe jetzt noch hell und Dunkel, wobei es für mein Wohlbefinden wenig Unterschied macht, ob ich in einem lichtlosen Raum oder in einem Raum mit Kunstlicht arbeite. Bei den Teilnehmern meiner Trainings ist es individuell sehr unterschiedlich. Während Einige nach 2 Stunden auch erst ein Mal von Dunkelheit gesättigt zu sein scheinen, möchten andere gar nicht wieder ans Licht.

Sabine Prell:
Das Konzept des „Dialogs im Dunkeln“ hat bisher weltweit über sechs Millionen Besuchern Horizonte einer „blinden Welt“ eröffnet … Wie ist Ihr Eindruck, wird Diese Erfahrung bei allen Menschen gleich aufgenommen?

Dörthe Maack:
Der Besuch der Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ wird sehr unterschiedlich aufgenommen.Zwar sind alle Besucher auf die eine oder andere Weise sehr beeindruckt. Dabei ist es für die einen aber mehr ein aufregendes Event und für andere eine Erfahrung, die ihr Denken in sozialen Belangen total aufrüttelt.
Auch im Coaching sind die Reaktionen auf die Dunkelheit unterschiedlich, aber nahezu alle Teilnehmer nutzen diese Erfahrung mit wirklichem Enthusiasmus als Möglichkeit zum Lernen und zur Weiterentwicklung.

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Sabine Prell: Eine Frage zum Schluss: „Dialog im Dunkeln“ kann man in Deutschland bislang nur in Hamburg und in Frankfurt erleben. Aus welchen Bundesländern kommen denn die meisten Besucher zu Ihnen? Und bestehen schon Expansionspläne?

Dörthe Maack: Natürlich kommen die meisten Besucher der Hamburger Ausstellung aus Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Es gibt aber auch viele Touristen oder Gäste aus der ganzen Welt. Bei den Trainingsveranstaltungen ist es ähnlich. Neben Teams, die in Hamburg arbeiten, kommen Teams oder Führungsmannschaften aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland.

„Dialog im Dunkeln“ ist ein soziales Frenchizeunternehmen. In der Regel sind unsere Frenchizenehmer Museen oder Science-center. Mit dem Trainingscenter im Headquarter der Allianz Global Investors in München und einem Dialog im Dunkeln auf dem Campus einer Uni in Singapur haben wir im letzten Jahr Neuland betreten und persönlich wünsche ich mir für die Zukunft des Dialog im Dunkeln viele Folgeprojekte in der Welt der Unternehmen und insbesondere auch in Hochschulen.

Vielen Dank für den spannenden Einblick in Ihr Projekt!

www.dialog-im-dunkeln.de